Abstract - DFG Graduate School 1412

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Abstract

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Rumänische Kultur, Orthodoxie und der Westen: Identitätsdiskurse in Rumänien aus der Zwischenkriegszeit

Innerhalb des DFG-Graduiertenkollegs 1412 „Kulturelle Orientierungen und Gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa" ist die Dissertation dem Schwerpunkt „Übernahme und Adaption von Institutionen" zugeordnet. Ihr Thema umfasst verschiedene Konzepte einer rumänischen Identität, wie sie von Intellektuellen in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg entworfen wurden. Wie der rumänische Historiker Sorin Mitu in seiner Monographie „Die ethnische Identität der siebenbürger Rumänen" festgestellt hat, spielte die Konfessionalität eine besondere Rolle bei der Entwicklung einer nationalen Identität im Zeitalter der Nationalisierung. Er arbeitete sogar verschiedene rumänische Identitätsformeln heraus, die sich an Hand ihrer Einstellung zu Orthodoxie einerseits und zum Katholizismus andererseits unterscheiden.
Die religionswissenschaftliche Dissertation wird die Rolle von Religion und Konfession im Prozess der Konstruktion nationaler Identitäten aufgreifen. Zu diesem Zweck wird sie die Methode der Diskursanalyse einsetzen. Die Begriffe Identität, Gesellschaft und Kultur werden dabei soziologisch gefasst. Insbesondere im Falle der nationalen Identität steht nicht die empirisch messbare im Vordergrund, sondern Identitätsentwürfe als konkurrierende ideologische Gebilde.
Während Mitu in erster Linie das 18. und 19. Jahrhundert behandelte, wird das aktuelle Projekt sich auf die Phase von der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien am 1. Dezember 1918 bis zum Kriegseintritt Rumäniens im Jahr 1941 konzentrieren. Es handelt sich um eine Zeit,  in der politische und gesellschaftliche Neuorientierungen in Rumänien heftig miteinander konkurrierten. Viele der neu diskutierten Ideologien und gesellschaftlichen Institutionen hatten ihren Ursprung im Westen. Für die behandelten Denker galt es, kulturelle Leitbilder zu finden, die geeignet erschienen, die ihrer Meinung nach erforderlichen oder unausweichlichen gesellschaftlichen Veränderungen im eigenen Land zu kanalisieren und ihnen Sinn zu geben.
Am rumänischen Identitätsdiskurs waren Intellektuellenzirkel beteiligt wie „Criterion", deren Vertreter wie Mircea Eliade die Kultur ihrer rumänischen Heimat von der Westeuropas an Hand der Konfession und der Lebensweise abzugrenzen versuchten. Einem antirationalistischen Ansatzes folgend, sprachen sie sich für das ländliche Leben gepaart mit orthodoxer Spiritualität aus, einer traditionellen Lebensweise, die für das rumänische Volk natürlich und bewahrenswert sei.
Doch unterschieden sich die Konzepte zur rumänischen Identität auch innerhalb der Zirkel in Details oft voneinander. So setzte sich auch der Philos
oph und Dichter Lucian Blaga im Kreise der Criterionisten von seinen Mitstreitern ab, indem er die bis heute in Rumänien viel beachtete Abhandlung „Zum Wesen der rumänischen Volksseele“ („Spaţiul mioritic“) verfasste.
Blaga begreift die seinem Konzept zu G
runde liegende Ballade „Mioriţa“ als typische Volksweise eines Hirtenvolks und schließt anhand ihres Inhaltes auf ein spezifisches Charakteristikum der rumänischen „Volksseele“, mit anderen Worten, der rumänischen Identität.
Die Untersuchung hat zum Ziel, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rumänischen Identitätsentwürfe systematisch zu untersuchen, mit dem Fokus auf Religion und Konfession als diskriminierenden Faktoren. Neben explizit auf Orthodoxie und Katholizismus bezogenen Argumentationen wird auf die Thematisierung vorchristlicher Traditionen, wie zum Beispiel im Falle der dakischen Herkunftstheorie eingegangen und die Versuche, sie mit der orthodoxen Tradition in Einklang zu bringen. Speziell im Hinblick auf die Deutungen der Volksweisen wird das Augenmerk auf ritualistische bis naturmystische Ideen der behandelten Intellektuellen gerichtet werden.
Da kollektive Identitäten sich notwendigerweise auch über Abgrenzung zu anderen Kollektiven definieren, wird insbesondere das Bild vom europäischen Osten und dem Westen, speziell Deutschland und Frankreich untersucht mit Blick auf die konfessionellen und kulturellen Unterschiede. Dabei soll auch auf partikularistische Tendenzen oder gar antiwestliche Einstellungen geachtet werden. Angesichts des westlichen Bildungshintergrunds der behandelten Autoren ist es besonders interessant, deren behandelte Arbeiten auf westliche Denkmuster und Wertvorstellungen zu untersuchen und zu ermitteln, wie fremd ihnen das Fremdbild des Westens tatsächlich war. Dementsprechend sollen die behandelten Texte daraufhin untersucht werden, in wiefern sie Anregungen zur Übernahme oder Adaption gesellschaftlicher Institutionen aus den Bezugsgesellschaften enthalten.
Die Feststellung einer Orientierung an der Orthodoxie ist an sich noch unspezifisch. Aufgrund der Geschichte und der geographischen Lage Rumäniens drängt sich die Frage auf, ob die Autoren die rumänische Orthodoxie dem byzantinischen oder slawischen Raum zuordnen. Alternativ dazu sind Tendenzen in Richtung einer rumänischen Sonderstellung zu erkennen.
Möglicherweise erlaubt die Dissertation neue Schlussfolgerungen über die Herkunft kultureller Leitbilder und Wertorientierungen, wie sie unter der rumänischen Bevölkerung und ihren Nachbarn verbreitet sind. Sie könnte auch zu einer empirischen Folgeuntersuchung anregen, die der Frage nachgeht, welchem der verschiedenen Identitätsentwürfe das derzeitige Nationalbewusstsein der rumänischen Bevölkerung am nächsten kommt.


 
 
 
 
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