Die Orthodoxe Kirche Griechenlands, das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel und das Türkeibild. Ein Vergleich in der Zeit des Erzbischofs Christodoulos und des Patriarchen Bartholomäus
In der Dissertation werden die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei seit den 90er Jahren untersucht durch den Vergleich zweier orthodoxer Institutionen: der griechisch-orthodoxen Kirche und dem ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel. Es soll herausgestellt werden welchen Einfluss diese auf die griechische Gesellschaft und die nationale Identität haben. Hierbei geht es auch um den allgemeinen Vergleich zweier Persönlichkeiten, die diese Institutionen leiten und einen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Zum einen der Erzbischof der griechisch-orthodoxen Kirche, Christodoulos und zum anderen der ökumenische Patriarch Bartholomäus. Christodoulos vertritt als nationaler Akteur die nationale griechische Perspektive, Bartholomäus hingegen strebt den interreligiösen Dialog an und gilt als internationaler Akteur mit globaler Perspektive. Hier gilt es, die verschiedenen Positionen in Bezug auf die Türkei und deren EU-Beitrittsperspektive zu erörtern. Es stellt sich die Frage, wie sich die Anpassung an die neue Situation seit den 90er Jahren gestaltet und wie sich beide Institutionen mit ihren jeweiligen Vertretern verhalten und welchen Einfluss diese auf die Haltung der griechischen Gesellschaft nehmen. In dieser religionssoziologischen Dissertation geht es damit um die Rolle der orthodoxen Kirche in der griechischen Gesellschaft. Mit der Nationenbildung auf dem Balkan seit dem 19.Jahrhundert kam es zu einem Nationalisierungsprozess der griechisch-orthodoxen Kirche. Dies bedeutet auch eine enge Verflechtung zwischen Staat und Kirche. Die Kirche wird vom Staat politisiert und instrumentalisiert. Sie gilt als Stifter und Garant der nationalen Identität. Damit scheint der Nationalismus in Griechenland eng mit der Kirche verbunden zu sein.
Der Betrachtungszeitraum wird sich auf die Zeit von Erzbischof Christodoulos seit Anfang der 90er Jahre beziehen. Dieser nimmt eine im Vergleich zu Bartholomäus eher kritische Haltung zur Türkei ein. Patriarch Bartholomäus ist zwar griechischer Abstammung, zeigt jedoch, auf Grund seiner Position als Vertreter aller orthodoxen Christen, ein ökumenisches und breites Rollenverständnis. Das Patriarchat von Konstantinopel erfüllte im Milletsystem während der osmanischen Zeit als Vertretungsinstanz der orthodoxen Gläubigen die Funktion eines verantwortlichen Führers auch in innerweltlichen Angelegenheiten. Heute setzt sich Patriarch Bartholomäus sowohl für die innerorthodoxe Ökumene ein, als auch für die Vertiefung der Verbindungen zu nichtorthodoxen Kirchen. Seit den 90er Jahren sind die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei auch in diplomatischer und wirtschaftlicher Hinsicht intensiviert worden. Es ist zu untersuchen, ob aus den verschiedenen Positionen der beiden kirchlichen Institutionen in Griechenland und der Türkei gewisse Hemmnisse zu Ungunsten des Annäherungsprozesses entstehen oder die Kirche als Motor für eine bessere Verständigung angesehen werden kann.