Abstract - DFG-Graduiertenkolleg 1412

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Abstract

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Das Bild der Roma in Rumänien

In Rumänien, dem Land mit dem weltweit höchsten Romaanteil, spielen die Roma nach 1989 als Projektionsfläche für die übrige Bevölkerung eine große Rolle und sind, wie auch in anderen europäischen Staaten, mit Ablehnung, Vorurteilen und diskriminierenden Handlungen konfrontiert. In der Umbruchszeit haben sie die Juden, die bis in die 1940er Jahre das herausragende Haßobjekt darstellten, als nationales Feindbild abgelöst.
Die interdisziplinäre Arbeit beschränkt sich nicht - wie ein großer Teil der zahlreichen, seit 1989 erschienenen Studien zur Wahrnehmung der Roma in Rumänien -, auf die Darstellung von Stereotypen und die Messung der sozialen Distanz, sondern untersucht das in der Transformationsgesellschaft verbreitete Bild im weiteren Sinn. Es umfasst sowohl tradierten Stereotypen entsprechende als auch davon abweichende Vorstellungen sowie unterschiedliche Haltungen, Einstellungen, Überzeugungen, Emotionen und Erfahrungen.
Ziel ist es, zu einer Analyse der aktuellen, landesspezifischen gesellschaftlichen Hintergründe zu gelangen und diese im gesamteuropäischen Kontext zu betrachten. Hinterfragt wird, inwiefern die  Tradition der „Zigeuner"-Beschreibung im deutschen Sprachraum, die maßgeblichen Untersuchungen zum Thema zufolge  eine Schlüsselrolle für europaweit verbreitete Vorstellungen spielte, sich auch auf den heutigen rumänischen Diskurs auswirkt. Parallelen und Unterschiede zu westlichen Bildern werden aufgezeigt.
Im Rahmen einer empirischen Untersuchung wurden mehr als 500 Schüler zwischen 11 und 16 Jahren an 12 rumänischen Schulen unterschiedlichen Typs befragt. Ihre Aufsätze zum Thema „Die Roma/Zigeuner Rumäniens" und ein anonymer Fragebogen bilden die Grundlage der Analyse. Ein Überblick zur historischen Entwicklung des Roma-Bilds und zu seinen  Ausformungen im heutigen Diskurs, u.a. in Fachliteratur, Presse und Film, erweitert die Perspektive. Bei der Interpretation werden zudem sozialpsychologische Erkenntnisse zur Entstehung und Funktion von Vorurteilen berücksichtigt.
In den Aufsätzen werden unter anderem Kulturelemente, vor allem aus den Bereichen Sprache, Musik, Architektur und Brauchtum, beschrieben, die als „roma-spezifisch" betrachtet werden. Zahlreiche, bisher nicht empirisch untersuchte Aspekte wie etwa Kenntnisse und Meinungen zum Romani, der Sprache der Roma, oder die Bewertung der so genannten „Zigeunerpaläste", die nach dem Umbruch durch wohlhabende Roma erbaut wurden und viel Aufmerksamkeit in der europäischen Presse erhielten, können auf dieser Basis beleuchtet werden. Darüber hinaus werden  Sichtweisen auf die interethnischen Beziehungen in Rumänien, Gesellschaftsutopien und Einstellungen der Befragten zu Diskriminierung und Vorurteilen thematisiert.
Die Analyse zeigt auf, in welchen gesellschaftlichen Gruppen sich besonders ablehnende oder aufgeschlossene Haltungen finden.  Sie belegt, dass in Rumänien ein im europäischen Vergleich hoher Prozentsatz an Menschen, insbesondere aufgrund persönlicher Kontakte, nicht von überlieferten  stereotypen „Zigeuner"-Vorstellungen geleitet wird, andererseits aber ausgeprägt romafeindliche Ideen und Haltungen, vor allem in gebildeten, einkommensstarken, westorientierten Kreisen, verbreitet und „gesellschaftsfähig"  sind. In der Interpretation wird ausgeführt, welche grundlegenden Funktionen die Ablehnung der Roma heute für elitäre Schichten hat.
Dargestellt wird nicht zuletzt, zu welchen Gelegenheiten persönliche Kontakte zu Roma entstehen, welcher Art die Beziehungen sind und wie sie sich auf das Bild von den Roma als Gesamtheit auswirken. Im Zuge der Diskussion um ethnische Schulsegregation und die Bekämpfung von Diskriminierung durch die EU gewinnt die Frage, wie sich interkultureller Kontakt und Antidiskriminierungsprogramme im schulischen Umfeld auswirken, besondere Bedeutung.



 
 
 
 
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