Abstract - DFG-Graduiertenkolleg 1412

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Abstract

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Homophobie in postjugoslawischen Gegenwartsgesellschaften.
Eine diskurs- und dispositivanalytische Untersuchung zu  Heteronormativität, Hegemonialer Männlichkeit, Kirche und Nation


Gesellschaftlicher Hintergrund
Homophobie und die Diskriminierung geschlechtlicher bzw. sexueller Minderheiten sind im postjugoslawischen Kultur- und Sprachraum nahezu omnipräsent. In jüngster Vergangenheit kam es bei den jährlich stattfindenden Paraden der LGBT-Gemeinschaft - so z.B. in der serbischen Metropole Belgrad (2010) wie auch der kroatischen Hafenstadt Split (2011) - zu radikalen homophoben Protesten, die in gewalttätigen Übergriffen und hasserfüllter Rede gipfelten. Die LGBT-Minderheit wird im Besonderen von ultranationalistischen Gruppierungen, politischen Rechtspopulisten und den Vertretern religiöser Institutionen mit Hate Speech und z.T. Gewalt konfrontiert. Die strikte Ablehnung wird im Kern durch die blasphemische „Widernatürlichkeit" und die fatalen makrosozialen Folgen von normabweichender Sexualität legitimiert, da jene die homogenen national-religiösen, familiär-verwandtschaftlichen und traditionellen Strukturen der Nation bedrohe. LGBT-Identitäten werden mitunter als „krank", „pädophil" oder contra naturam etikettiert, die mit ihrem Minderheitenstandpunkt angeblich darauf abzielen das jeweilige nationale Kollektiv in seinen Grundfesten zu erschüttern.

Zum Forschungsvorhaben
Vor diesem Hintergrund unternimmt das vorliegende Dissertationsprojekt einen dispositivanalytischen Gesellschaftsvergleich von Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina unter den Gesichtspunkten Geschlecht, Sexualität, Nation und Kirche im Hinblick auf EU-Erweiterungs- oder Minderheitenfragen sowie der konkreten Durchsetzung von Menschen- und Freiheitsrechten. Das Ziel ist es, eine soziologisch differenzierte Analyse darüber abzuliefern, durch welche sozialen Prozeduren die Exklusion nicht-heterosexueller Identitäten in postjugoslawischen Gesellschaften - in seinen jeweils voneinander differierenden Dimensionen oder auch strukturellen Ähnlichkeiten - konstruiert wird. Darüber hinaus wird danach geforscht, ob es in naher Zukunft zu Brüchen, Transformationen und Widersprüchen kommt, die eine Rekonfiguration und Destabilisierung eingeübter und tradierter Muster - etwa durch zivilgesellschaftliche Bewegungen - bewirken oder bewirken könnten.

Einordnung in das Graduiertenkolleg
Das vorliegende Projekt lässt sich in den ersten Forschungsschwerpunkt des Graduier einordnen: Das Spannungsverhältnis zwischen Kollektivität und Individualität offenbart sich entlang der Frage, inwiefern sich das homogenisierte Kollektiv in seinen normativen Vorstellungen durch Subjekte, die vom heteronormativen Imperativ abweichen, bedroht sieht. Hieraus scheinen sich in postjugoslawischen Gegenwartsgesellschaften spezifisch nationale Identitätskonflikte zu ergeben, die die Erfüllung von Auflagen der Europäischen Kommission behindern oder drastische Gegenreaktionen in mancherlei Segmenten der Gesellschaft hervorrufen, die in Opposition zum westeuropäischen common sense im Sinne des Umgangs mit sexuellen Minderheiten und moderner Zivilgesellschaft stehen. Der Typus des sich langsam und stetig emanzipierenden Homosexuellen, nicht selten als genuin „westeuropäische Erfindung" verstanden, kollidiert in Südosteuropa mit historisch gewachsenen kollektiven Normen, Leitbildern und Alltagsmustern, die durch die Prägung ehemals patriarchal und patrilinear organisierter Clangesellschaften zu erklären ist, in denen innerhalb der „zadruga" (Großfamilie) die Reproduktion des (heterosexuellen) Kollektivs das oberste Prinzip von Vergesellschaftung definierte.

Theoretischer und methodologischer Rahmen
Das Promotionsvorhaben verortet sich in der südosteuropäischen Geschlechterforschung: In Anlehnung an poststrukturalistische, sprachphilosophische sowie kultursoziologische Debatten wird von einem heterogenen Netz bzw. (Sexualitäts-)Dispositiv [Foucault 1976] ausgegangen, das durch religiöse, nationale und geschlechterbezogene diskursive Praktiken, z.B. durch die Heterosexuelle Matrix [Butler 1991], nicht-diskursive Praktiken, z.B. (Gender-)Habitus [Bourdieu 1982] und Hegemoniale Männlichkeit [Connell 1999] sowie Objekte, so z.B. religiöse oder natio Symbolik und Visualisierung, gespannt wird. LGBT-Identitäten werden innerhalb des Dispositivs systematisch untergeordnet, womit in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens ein bedeutender Konnex von identitätsstiftenden nationalen Mythen, traditionellen Gender-Konzepten und religiösen Sinnzusammenhängen generiert wird. Die Diskriminierung sexueller Minoritäten sollte vor diesem Hintergrund gedeutet werden. Die unterstellte Verwobenheit wird im Rahmen einer text- als auch praxisorientierten Dispositivanalyse von Print-, Text-, Online-, und Fernsehmedien analysiert werden, die im Kern ereignisorientiert um die stattfindenden Paraden und Festivals der LGBT-Gemeinschaft herum durchführt werden wird, da die Datengrundlage  sich zu diesen Zeitpunkten wohl am fruchtbarsten gestalten wird. Analyseobjekte sind in diesem Zusammenhang v.a. Tages- und Wochenzeitschiften im Print- und Onlineformat, ausgewählte Fernsehsendungen, Kirchenzeitschriften sowie national-religiöse Visualisierungen. Der Analysezeitraum wird sich auf die Gegenwart, d.h. von etwa 2009 bis 2014, beschränken und versuchen die gegenwärtigen Tendenzen mit historisch wurzelnden Variablen zu verknüpfen.


 
 
 
 
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