Hauptmenü
Arbeitsbeziehungen im selbstverwalteten Sozialismus: Die jugoslawische Fahrzeugindustrie 1965-
Nach dem Bruch mit der Sowjetunion 1948 schlugen die jugoslawischen Kommunisten einen „dritten Weg" zum Sozialismus ein, der mit einem umfassenden Programm der sozialistischen Modernisierung einherging. Partizipation und Demokratisierung in Politik und Wirtschaft wurden als Prinzipien eines Selbstverwaltungssozialisimus festgeschrieben, der die Legitimität des Regimes unter veränderten Vorzeichen sichern sollte. Allerdings erfüllte sich gerade für IndustriearbeiterInnen das Versprechen einer substanziellen Humanisierung von Arbeit nicht, das ja einen der Kernpunkte der Selbstverwaltungsideologie ausmachte. In einer mikrohistorischen Studie, welche die Zeitspanne zwischen den Wirtschaftsreformen 1965 und der Krise zu Beginn der 1980er Jahre betrachtet, untersuche ich Arbeitsbeziehungen auf der Ebene des Betriebes. Diese waren durch verschiedene Formen von Konsens und Konflikt geprägt. ProduktionsarbeiterInnen nehmen einen zentralen Platz in meiner Studie ein. Ihr Charakter als Akteure manifestiert sich dabei in der Interaktion mit anderen sozialen Gruppen in der Fabrik. Das Projekt stellt die Verbindung zwischen der Makroebene von Wirtschafts-
Das Projekt richtet sein Augenmerk auf Konfliktpraktiken, die sich um Lohnhöhen, den Wert von Arbeit und Lebensstandard entwickelt haben. Neben Auseinandersetzungen über Einkommen und Sozialleistungen sind Disziplinarverstöße am Arbeitsplatz ein geeigneter Gegenstand, um die Austragung von Konflikten zu untersuchen. In der Art, wie die Betriebe mit Verletzung der Arbeitsdisziplin umgehen, werden verschiedene Motivationen als auch Strategien der teilnehmenden Akteure sichtbar, mit denen sie ihre Interessen vertreten. Insbesondere Einkommenskonflikte werfen ein Licht auf ein Problem, das von den herrschenden Kommunisten heruntergespielt worden ist: Während das Regime die Vorstellung von einer einheitlichen Arbeiterklasse propagierte, geben Diskurse und Konfliktpraktiken um Einkommen den Blick auf die soziale Differenzierung innerhalb der Arbeiterschaft frei. Betrachtet durch das Prisma sozialen Konflikts wird deutlich, dass alle offiziell propagierten Visionen sozialer Gerechtigkeit an den Imperativ der Selbstverwaltung gebunden waren. Gleichzeitig war soziale Ungleichheit kein prominentes Thema auf der politischen Agenda und Interpretationen dieser Ungleichheiten wurden systematisch im Ungefähren gehalten. Indes war auf Fabrikebene ein Bewusstsein für augenfällige soziale Differenzierungen vorhanden und in Abhängigkeit von der Perspektive wurden klare Interpretationen der sozialen Realitäten vorgenommen. Geleitet von diesen Beobachtungen stelle ich folgende Fragen: Wie wurden verschiedene soziale Gruppen wahrgenommen, wie präsentierten sie sich und wie grenzten sie sich von anderen ab? Welche Charakteristika verschiedener Lebenswelten scheinen hier durch? Wie gelang es den verschiedenen Segmenten der Arbeiterschaft, ihre Interessen zu vertreten (und durchzusetzen)? Auf welche Wertesysteme und Argumente greifen sie dabei zurück? Worin lagen die begünstigenden oder hinderlichen Faktoren bei der Interessenwahrnehmung der jeweiligen Gruppe?
Diese Aushandlungsprozesse um materielle und symbolische Anerkennung fanden in einer komplexen Konstellation statt, die sich aus der Arbeiterschaft, der Betriebsleitung, der Partei und den sozialistischen Massenorganisationen zusammensetzte. Da die Rolle und die Kompetenzen z. B. der Gewerkschaften Gegenstand politischer Auseinandersetzungen waren, hatten die Positionen welche ihre VertreterInnen auf lokaler, der Republiks-