Religion und Bildung in Bosnien und Herzegowina. Konzepte und Strategien religiöser und säkularer Deutungsträger nach 1994
In der Dissertation wird nach den religionsvermittelnden Konzepten und Strategien gefragt, mit denen unterschiedliche Deutungsträger der postkommunistischen Modernisierung im multireligiösen BiH begegnen. In der neu entstandenen pluralistischen Deutungssituation sind relevante Akteure zum ersten Mal in der Geschichte sowohl religiös als auch säkular: die Islamische Gemeinschaft, die katholische Kirche, die Serbische Orthodoxe Kirche und die internationalen Organisationen OHR und OSCE. In der Dissertation wurden, mittels qualitativer Methoden Lehrpläne, Schulbücher und öffentliche Begründungen der Akteure analysiert.
Der sozio-politische und soziokulturelle Kontext liefert Informationen darüber, ob und in welchem politischen und gesetzlichen Rahmen eine Auseinandersetzung mit Religion im öffentlichen Bildungssegment in BiH möglich ist. Darauf folgt die erste Analyseebene, die unterschiedliche normative Aussagen und Modelle der Religionsvermittlung betrifft, mit denen die Akteure den Modernisierungsprozess aktiv gestalten. Diese Modelle zeigen sowohl die Selbstverortung der jeweiligen Akteure als auch implizit das Verständnis von der postkommunistischen Modernisierung. Die Analyse der unterschiedlichen Begründungen dieser Modelle - als zweite Analyseebene - zeigt, wie die verschiedenen Akteure ihre Konzepte unter den komplexen politisierten Bedingungen öffentlich plausibel machen. Die dritte Analyseebene betrifft das konkrete öffentliche Handeln der Akteure in Form von Schulbüchern. Diese Analyse ist auf die Darstellung anderer Religionen und/oder der religiösen Pluralität in den einzelnen Religionsbüchern fokussiert. Anhand der Forschungsresultate konnten, als übergreifende Momente, die dem Zusammenspiel der Modelle, Begründungen und des Handelns entspringen, unterschiedliche Modernisierungsstrategien herausgearbeitet werden. Abschließend wird deutlich, dass obwohl alle Akteure Religion an den öffentlichen Schulen als ein Zeichen der Modernisierung betrachten, die für den multireligiösen Raum BiHs passende religionsvermittelnde Konzepte - sei es religiöse oder säkulare - noch ausstehen.